Anforderungen an städtisches Wohnen – die Mischung macht’s
Ein Blick über Städte und Agglomerationen der Schweiz zeigt: Kaum ein Haus ist höher als vier oder fünf Stockwerke. Doch inzwischen wird auch in der Schweiz der Boden knapp. Seit der Volksabstimmung 2019, in der die Zersiedlung aufgehalten werden sollte, werden kaum noch neue Bauzonen geschaffen. Daher ist ein sparsamer Umgang mit dem begrenzten Bauland erforderlich.
Verdichtetes Bauen heisst nicht schlechter leben. In einem Land wie der Schweiz, wo die Pro-Kopf-Wohnfläche seit Jahren steigt, ist es eine besondere Herausforderung, den immer knapper werdenden Raum so zu nutzen, dass Lebensqualität möglich ist. Stadtplaner und Architekten müssen zudem so planen, dass sich die Bewohner trotz der Dichte wohlfühlen. Der Mensch braucht eine Rückzugsmöglichkeit ins Private sowie Ruhe. Niemand mag Lärm, kaum jemand will sich ausgestellt fühlen.
Wir haben uns mit den Experten der Fundamenta Group (Schweiz) ausgetauscht um zu erfahren, welche Anforderungen und Herausforderungen sich dadurch stellen und mit welchen Lösungen diesen begegnet werden kann.
Ein Eingriff unter verschärften Bedingungen
Wohnraumstrategien und Wohnungsknappheit sind Schlüsselbegriffe, die die Anforderungen an städtisches Wohnen beeinflussen und verändern. Wie dies umgesetzt werden kann, zeigt die Immobilie am Claragraben in Basel. Eine zentrale, urbane Lage, östlich des Rheins, mit Bahnhof, Park, fussgängigen Einkaufsmöglichkeiten und Universität gleich um die Ecke. Zudem in unmittelbarer Nähe zur Basler Riviera. Trotz des begehrten Standortes hat die Immobilie jedoch über die Jahrzehnte ein wenig von ihrer Attraktivität verloren.
Der allgemeine Zustand des Gebäudes – gebaut in den frühen 1960er-Jahren mit entsprechender Bausubstanz – erfüllt aufgrund ihres Alters bei Weitem nicht mehr heutige Anforderungen an Haustechnik, Dämmung, Wohnqualität, Nachhaltigkeitsaspekte, etc.
Eine weitere substanzielle Hürde bot sich durch die aktuellen verschärften regulatorischen Themen in Basel. Trotz dieser massiv erschwerenden Situation hat man sich entschieden, den Bedürfnissen der Bevölkerung nach flexiblem Wohnraum in der Stadt zu entsprechen und die Liegenschaft – wohl eine der letzten in der Stadt – komplett zu sanieren. Die Gesetzesverschärfung dürfte künftig solche massiven Sanierungen eher zur Utopie verkommen lassen.
Die zu meisternden Aufgaben waren erheblich. Es galt, nicht nur verschiedenste Ansprüche zu berücksichtigen, sondern diese auch noch miteinander zu vereinen. Aufgrund der Ausnutzungsziffer erlaubte das Gebäude keine Möglichkeit für eine Erweiterung. Daher wurde das Augenmerk auf das Innenleben gelegt. Dies mit dem Ziel, durch die geplante Repositionierung grundsätzlich die Wohnqualität zu steigern und eine nachhaltige Vermietbarkeit zu erreichen.
Solch umfangreiche Sanierungsmassnahmen sind jedoch in bewohntem Zustand nicht möglich. Somit wird eine Entmietung unumgänglich, da von einer Bauzeit von nahezu anderthalb Jahren ausgegangen und der Eingriff mit grossen statischen Eingriffen verbunden sein wird.
Zukünftige Wohnformen
Ein gewichtiger Anspruch, der sich dem Projektteam stellte, war die Frage, welche Wohnformen es künftig brauchen wird. Basierend auf den wichtigsten Bestimmungen aus dem Wohnförderungsgesetz wurde entschieden, ein neues Raumkonzept auszuarbeiten. Dazu wurden unter anderem Fakten aus demografischen Erhebungen, wie den Bedarf nach effizient gestalteten und flexiblen Wohnformen, welche den unterschiedlichen Lebensstilen entsprechen, berücksichtigt. Ebenso wurden die Bedürfnisse der Menschen nach «Erholung in der Stadt», Begegnungszonen, Aussenräumen etc., die als integraler Bestandteil einer Stadtentwicklung betrachtet werden sollten, in das Konzept aufgenommen.
Das Resultat zeigt sich in einem Raumkonzept, das eine Erhöhung der bestehenden 45 Wohnungen auf 60 Wohneinheiten aufweist. Zentral und urban bieten die Wohnungen trotz sparsamem Flächenkonsum alles, was modernes Wohnen heutzutage verlangt: Flexibilität, Barrierefreiheit, neuzeitliche Nasszellen, moderne Küchen usw. Dazu wird das erwähnte Bedürfnis nach «Erholung in der Stadt» – eine Erkenntnis aus der Pandemie – umgesetzt; jede Einheit verfügt über ihre eigene funktionale Aussenfläche.
Schon längst nicht mehr nur ein «Nice to have» sondern integraler Bestandteil des modernen Wohnbaus sind für die beauftragte Fundamenta Group (Schweiz) die Grundsätze der Nachhaltigkeit. Die Liegenschaft Claragraben wird unter dem Aspekt des Minergie-Standards saniert. Die Einsetzung von umweltfreundlichen Materialien ist Standard, ebenso Wärmedämmungsmassnahmen, Fussbodenheizung, Photovoltaikanlagen auf dem Dach und ein Fernwärmeanschluss mit einem lokalen Energielieferanten. Mit dem Nebeneffekt, dass die Gesellschaft dadurch dem gesetzten CO2-Ziel einen substanziellen Schritt näherkommen wird.
Themen, die uns alle angehen
Jeder, der in der Stadt wohnen möchte, muss sich über kurz oder lang mit Themen beschäftigen, die bislang nicht in ihrer Gesamtheit betrachtet wurden. Klimawandel, Individualisierung, demografischer Wandel, um nur einige zu nennen, wirken sich auf die Ansprüche an städtisches Wohnen aus. In den urbanen Zentren wächst unter anderem auch die Nachfrage nach Diensten und Räumen für Verpflichtungen wie der Kinderbetreuung oder Seniorendienste. Dies steht im Gleichklang mit einer wachsenden Nachfrage nach flexiblen Wohnflächen und nach Begegnungszonen. Letzteres zeigt sich auch im Claragraben durch eine bestehende Gewerbefläche, die nicht eliminiert, sondern modernisiert wird.
Die Wohneinheiten am Claragraben richten sich gezielt an ein Publikum, dass eine starke Durchmischung aufzeigt: von Jung bis zu den Best Agern, was sich etwas charmanter liest als Senioren. Von Singles bis zur trauten Zweisamkeit. Die Kombination dieser Parameter – Durchmischung der Bewohner und Ansprüche an modernes Wohnen – bietet eine ideale Voraussetzung, dem Quartier den benötigten Aufschwung zu geben und städtisches Wohnen nicht nur attraktiv, sondern auch zukunftsgerichtet zu gestalten.